Alfred Verdross

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Alfred Verdross (1927)

Alfred Verdross (auch Alfred Verdroß-Droßberg; * 22. Februar 1890 in Innsbruck, Tirol; † 27. April 1980 ebenda) war ein österreichischer Diplomat und Universitätsprofessor an der Universität Wien. Er gilt als der bedeutendste österreichische Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wappen Verdroß von Droßberg, verliehen 1911

Alfred Verdross war der Sohn von Ignaz Verdroß von Droßberg, einem 1911 geadelten Kaiserjägergeneral der österreichisch-ungarischen Armee. Er war Völkerrechtslehrer, Schriftsteller und Rechtsphilosoph. Zunächst Diplomat, war Verdross ab 1922 Professor an der Konsularakademie, von 1924 bis 1960 Universitätsprofessor an der Universität Wien und von 1958 bis 1977 Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Darüber hinaus war er Mitglied der International Law Commission und des Institut de Droit international.

Zusammen mit Adolf Julius Merkl war Verdross ein Schüler von Hans Kelsen. Von der Geschlossenheit der Reinen Rechtslehre geprägt, machte er dieselbe für das Verhältnis von Völkerrecht und staatlichem Recht (vgl. u. a. „Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf der Grundlage der Völkerrechtsverfassung“, 1923) sowie das Verständnis der Staatengemeinschaft (vgl. u. a. „Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft“, 1926) fruchtbar.

Verdross wandte sich jedoch früh vom Rechtspositivismus Kelsens ab und erneuerte die klassische christlich-katholische Völkerrechtslehre auf der Grundlage der Ansätze der Schule von Salamanca (Francisco de Vitoria, Francisco Suárez), welche auch auf Hugo Grotius und die ganze protestantische Naturrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts (Johannes Althusius, Samuel Pufendorf, Christian Wolff) von großem Einfluss war (vgl. Ernst Reibstein, Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca. Untersuchungen zur Ideengeschichte des Rechtsstaates und zur altprotestantischen Naturrechtslehre, 1955). In seiner Rechtsphilosophie knüpfte er an den Gemeinwohlzweck des Staates bei Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin an.

Verdross, der die naturrechtlich geprägte Wiener Schule des Völkerrechts und der Rechtsphilosophie begründete, war durch seine stupende Kenntnis des positiven Rechts in der Lage, dasselbe auf der Grundlage seiner rechtsphilosophischen Ansätze zu einem geschlossenen System zu formen, das seine Stütze in der Staatenpraxis fand. Die Entwicklung der internationalen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt in vielen Aspekten naturrechtliches Wertedenken, das insbesondere im Gedanken der gerechten Verteilung der Güter dieser Welt (vgl. z. B. die von der UN-Generalversammlung 1974 proklamierte „Neue Internationale Wirtschaftsordnung“), aber auch in der Entwicklung von der Lehre von den Grundrechten und Grundpflichten der Staaten und in vielem anderen mehr seinen unausgesprochenen Niederschlag fand. Auf diese Weise bestätigt sich der von Verdross formulierte Gedanke der Ausweitung des klassischen Begriffs des bonum commune, also des in Zusammenhang mit dem Staat entwickelten Gemeinwohlbegriffs, zum bonum commune humanitatis, dem Weltgemeinwohl.

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herbert Miehsler u. a.: Festschrift zum 90. Geburtstag. 1980.
  • Heribert Franz Köck: Leben und Werk des österreichischen Rechtsgelehrten Alfred Verdross. In: ZöR. Bd. 42, 1991, S. 31 ff.
  • Heribert Franz Köck: Alfred Verdross – Ein österreichischer Rechtsgelehrter von internationaler Bedeutung. Schriftenreihe der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft Bd. 56, 1991.
  • Heribert Franz Köck: Vita ed opera del giurista austriaco Alfred Verdross. In: Römische Historische Mitteilungen Bd. 34/35, 1992/93, S. 299 ff.
  • Herbert Schambeck: Alfred Verdross als Rechtsphilosoph und die Wiener Rechtstheoretische Schule. In: Peter Fischer u. a. (Hrsg.): Die Welt im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Globalisierung. Festschrift für Heribert Franz Köck, Wien 2009, ISBN 978-3-7073-1165-5, S. 527–542.
  • Jürgen Busch, Irmgard Marboe, Gerhard Luf: Alfred Verdross – Ein Mann des Widerspruchs? In: Franz-Stefan Meissel, Thomas Olechowski, Ilse Reiter-Zatloukal, Stefan Schima (Hrsg.): Vertriebenes Recht – Vertreibendes Recht. Zur Geschichte der Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zwischen 1938 und 1945 (= Juridicum Spotlight. Band 2). Manz, Wien 2012, ISBN 978-3-214-07405-0, S. 139–202.
  • Bruno Simma: Alfred Verdross (1890–1980). In: Peter Häberle, Michael Kilian, Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.): Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Deutschland – Österreich – Schweiz. 2. Auflage, De Gruyter, Berlin u. a. 2018, ISBN 978-3-11-054145-8, S. 417–428.
  • Bruno SimmaVerdross, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 757 f. (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. AAS 51 (1959), n. 5, S. 285.
  2. Ministerio de Educación y Ciencia: Real Decreto 1441/1977, de 23 de junio, por el que se concede la Gran Cruz de la Orden Civil de Alfonso X el Sabio a los señores que se relacionan. In: Boletín Oficial del Estado. Nr. 150, 24. Juni 1977, ISSN 0212-033X, S. 14215 (boe.es [PDF]).
  3. Herbert Posch: Tore der Erinnerung am Campus der Universität Wien. In: 650 plus – Geschichte der Universität Wien. Universität Wien, 7. März 2017, abgerufen am 1. September 2021.